Der Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg

Nach dem völligen Zusammenbruch der Schreckensherrschaft des so genannten "Dritten Reiches" und der späteren Aufteilung Deutschlands unter den Siegermächten im Rahmen der bedingungslosen Kapitulation, entstand auf dem Boden der drei westlichen Besatzungszonen die Bundesrepublik Deutschland mit einer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Bereits zehn Jahre nach Kriegsende erhielt die junge Bundesrepublik, unter Kontrolle der Westmächte, eine neue Armee zum Schutz und zur Erhaltung der demokratischen Grundordnung und der Freiheit. Im Jahr 1956. nur wenige Monate nach Gründung der Bundeswehr, begann die neue Teilstreitkraft Luftwaffe neue Geschwader und somit auch Flugplätze wieder in Dienst zu stellen.
Es sollte jedoch noch drei Jahre dauern, bis sich das Bundesministerium der Verteidigung im Jahre 1959 entschloss - nach 14-jähriger Unterbrechung - auf dem Areal des ehemaligen Fliegerhorstes Hopsten, den jüngsten Spross der Luftwaffe auf 306 Hektar Fläche zu etablieren
Aus NATO-Mitteln wurden Spezialfirmen aus dem gesamten Münsterland mit der Verwirklichung der Pläne beauftragt, einen komplett neuen Militärflugplatz unter den damalig modernsten NATO-Standards zu bauen. Die Start- und Landebahn der neuen NATO-Air Base verlief in Nord-Süd-Richtung über eine Länge von 3.000 Meter und einer Breite von 30 Meter, genau zwischen den benachbarten Ortschaften Dreierwalde und Hopsten im Nordbereich sowie Hörstel im Südbereich. Stellplätze, flugplatztechnische Einrichtungen und Zufahrtswege, sowie einen in der ca. 8 Kilometer vom Flugplatz entfernt gelegenen Stadt Rheine errichteten Unterkunftsbereich mit Administrationsgebäuden vervollständigten alle durch die NATO vorgegebenen Standards für Westeuropa. Der alte Name „Fliegerhorst Hopsten" wurde für den neuen NATO-Flugplatz beibehalten.
Im April 1961 wurde das auf dem niederrheinischen Fliegerhorst Nörvenich beheimatete Jagdbombergeschwader 31 mit der Bereitstellung eines 40 Mann starken Vorauskommandos und dem erforderlichen Erstmaterial beauftragt. Die „Männer der ersten Stunde“ des neu aufzustellenden Jagdbombergeschwaders 36 hatten bis zur Indienststellung am 12. Dezember 1961 unter ihrem ersten Kommodore des Verbandes, Major Wilhelm Meyn, Pionierarbeit mit viel Improvisationsvermögen zu leisten. Geht nicht - gibt's nicht, war ihre Devise. So manche Anekdote ließe sich hier erzählen. War beispielsweise in dem Anfangs nur einmal vorhandenen Werkzeugkasten kein Schraubenzieher zu erlangen, ließen sich die Schnellverschlussschrauben an den ersten eingetroffenen Flugzeugen des Typs F-84F "Thunderstreak" auch schon mal mit etwas Hartgeld bewegen.

 

Stationierung des ersten fliegenden Waffensystems der Luftwaffe

- Die Republic F-84F „Thunderstreak“ -

 

Am 1, März 1961 war auf dem Fliegerhorst Nörvenich bereits die 1, Fliegende Staffel eines neuen Geschwaders aufgestellt worden. Hierzu wurden dem Verband durch Ausgliederung aus dem ortsansässigen Jagdbombergeschwader 31 mehr als 50 Jagdbomber des Typs Republic F-84F „Thunderstreak“ nach Hopsten überstellt. Da die Jagdbomberverbände der Luftwaffe mit Zahlen im 30er-Bereich benannt wurden und die Zahlen 31 - 35 bereits vergeben waren, erhielt der neue Verband folgerichtig die Zahl 36. Das neue Jagdbombergeschwader 36 verlegte vom April bis zum 31. August 1961 komplett auf den NATO-Übungsplatz Decimomannu auf Sardinien (Italien). Hier begann die Pilotenausbildung des damals noch inoffiziell „Westfalen-Geschwader“ genannten Verbandes. Am 1. September 1961, also bereits einen Tag nach seiner Rückkehr von Sardinien, wurde die 1. Fliegende Staffel des neuen Geschwaders der NATO unterstellt. Es hatte fortan den Einsatzauftrag „Luftangriffe zur Unterstützung des Heeres“ - (in der NATO-Sprache Close Air Support - CAS) zu fliegen.
Einer der ersten Höhepunkte des jüngsten Geschwaders der Luftwaffe war der 12. Dezember 1961, als der damalige Inspekteur der Luftwaffe. Generalleutnant Josef Kammhuber, stellvertretend für den Bundesminister der Verteidigung Dr. Franz-Josef Strauß, das neue Jagdbombergeschwader 36 (JaboG 36) mit einem feierlichen Appell auf dem Fliegerhorst Hopsten offiziell in Dienst stellte. Unter den Gästen befanden sich seinerzeit sowohl der General der Luftwaffengruppe Nord, Harlinghausen, als auch der Oberbefehlshaber der 2. Alliierten Luftflotte, Air Marshall Sir John Grandy, sowie zahlreiche Ehrengäste aus der Politik und von der Bundeswehr.
Bereits wenige Wochen nach Indienststellung des Verbandes wurde durch das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) per Aufstellungsbefehl vom 19. Januar 1962 eine zweite Staffel gebildet Dazu wurde der Flugzeugbestand auf nun zwei fliegende Staffeln aufgeteilt. Diese 2./JaboG 36 betraute man innerhalb der Luftwaffe mit einer Besonderheit. Primär wurde sie mit der Schulung der in den USA trainierten F-84F-Piloten der Luftwaffe auf mitteleuropäische Witterungsverhältnisse sowie die anfängliche Waffenausbildung beauftragt. Dafür bekam die Staffel ab Mitte 1962 zusätzlich sechs Lockheed T-33A als Trainermaschinen zur Verfügung gestellt. Des Weiteren ergänzten zwei Piaggio JG P.149D, die als Verbindungsflugzeuge dienten, den Flugzeugbestand des JaboG 36.
Drei Monate nach offizieller Indienststellung, am 30. März 1962 verzeichnete der noch junge Verband seinen ersten Flugunfall. Feldwebel Helmut Korstick stürzte mit seiner Maschine wahrend eines Übungsfluges in Westerkappeln ab. Eine Rettung mit dem Schleudersitz war ihm nicht mehr möglich, sodass er den Fliegertod fand. Große Bestürzung und tiefe Trauer überschatteten daraufhin das Geschwader. Nachdem im Verlauf des Jahres 1962 auch der Großteil der Gebäude im Unterkunftsbereich an der Schorlemerstraße in Rheine bezugsfertig geworden war, präsentierte sich das Geschwader am 16. Juni erstmals mit einem „Tag der offenen Tür" der Bevölkerung. 150.000 Besucher, eine nahezu unglaubliche Zahl, ließen sich dieses Ereignis im Münsterland nicht entgehen und würdigten damit die Leistungen der Geschwaderangehörigen beim Aufbau des Geschwaders.
F-84F "Thunderstreak" des JaboG36
Der als erster, streng nach NATO-Kriterien gebaute deutsche Fliegerhorst, erhielt auf der Hopstener Air-Base am 23. Juli 1962 eine flugtechnische Neuheit. Der damalige Kommandeur der Technischen Gruppe, Major Hubert Lange, nahm die Notfanganlage des Fliegerhorstes in Betrieb. Mit Hilfe eines Fanghakens am Flugzeug und eines Fangseiles quer über die Landebahn konnten von nun an Maschinen, die aufgrund technischer Probleme nicht mehr selbständig zum Stehen kamen, zu einem Nothalt gebracht werden.
Aber auch nicht ganz so spektakuläre Neuheiten erfreuten damals die Soldaten: Mit Wirkung vom 13. März 1963 wurde der Entwurf eines Geschwaderwappens vom Führungsstab der Luftwaffe genehmigt und fortan prangte das neue Wappen des JaboG 36 an den Leitwerken der „Thunderstreaks". Das Wappen zeigt das springende Westfalenross auf rotem und blauem Grund, womit der Verband seine Verbundenheit zum Westfalenland und seiner Bevölkerung zum Ausdruck bringen wollte. Der blaue Grund Steht hierbei für den Himmel und der rote Grund für die Erde Westfalens Das Wappen sollte alle späteren Umstrukturierungsmaßnahmen des Verbandes überdauern: Vom Jagdbombergeschwader 36 über das spätere Jagdgeschwader 72 „Westfalen“, bis hin zum heutigen Fluglehrzentrum F-4F und ist noch immer ein festes und allseits bekanntes Bindeglied der Soldaten zur Bevölkerung Westfalens.
Mit der Fortführung weiterer Baumaßnahmen im Unterkunftsbereich in Rheine vollzog sich 1963 auch die Errichtung eines Munitionsdepots auf der Gemarkung Uthuisen, etwa 3 km südlich des Fliegerhorstes, und eines Außentanklagers im nördlichen Außenbereich des Fliegerhorstes, zwischen den Gemeinden Dreierwalde und Hopsten. Dem Munitionsdepot sollte nur wenige Monate später eine außerordentliche Bedeutung zukommen auf die später noch näher eingegangen wird.
Eine weitere Herausforderung erfuhr der Verband im Juni 1963, als erstmals ein Teilkontingent zum NATO-Übungsplatz nach Decimomannu auf Sardinien (Italien) verlegte. So war der Flugbetrieb parallel auf Sardinien und am Heimatplatz sicher zu gewährleisten und arbeitstechnisch durchzuführen.
Ab Mitte 1962 bekam die 2. Staffel sechs dieser T-33A als Trainer             Foto: Grondstein
 
 
 
Ein weiterer Höhepunkt vollzog sich vom 12. bis zum 28. Juni 1963, als sich das JaboG 36 erstmalig den Aufgaben als Ausrichter des „Tactical Weapons Meetings“ auf deutschem Boden stellte. An dieser Übung für Jagdbomberpiloten aus sechs NATO-Mitgliedsstaaten der Luftstreitkräfte Nord (2. ATAF) und Süd (4. ATAF) nahmen mehr als 250 Soldaten teil, die in 220 realistisch gehaltenen Einsätzen überprüft wurden. Auf dem Programm standen der Beschuß von Erdzielen mit Raketen und Bordkanonen, der Abwurf konventioneller Bomben aus niedriger Hohe und der vorgetäuschte Einsatz taktischer Nuklearwaffen auf dem nahegelegenen Schieß- und Bombenabwurfplatz Engdener Wüste bei Nordhorn. Die begehrte „Broadhurst Trophy“ errang schließlich das Team vom Escadre de Chasse 3 aus St. Dizir (Frankreich) mit ihren F-100 Flugzeugen. Bemerkenswerter als die Plazierung war jedoch die Tatsache, dass es dem JaboG 36 überhaupt gelang, zu diesem frühen Zeitpunkt nach der Aufstellung des Verbandes eine derartige Übung zu organisieren und gleichzeitig seinen eigenen hohen Klarstand an Maschinen unter Beweis zu stellen. Nicht zuletzt war es dem Engagement der Technischen Gruppe, unter Führung ihres damaligen Kommandeurs, Major Hubert Lange, zu verdanken, dass das JaboG 36 den Ruf herausragender Einsatzbereitschaft erlangte. Unmittelbar im Anschluß an das „Tactical Weapons Meeting“ fand die erste Überprüfung des jungen JaboG 36 durch NATO-Kontrolleure statt. Diese so genannte „Tactical Evaluation“ (TacEval) wurde mit einem guten „B-Rating“ bestanden.